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Nach jahrelangen Debatten ist im August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten – also
jenes Gesetz, welches im alltäglichen Sprachgebrauch meist als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet wird. Mit der Verabschiedung des AGG ist Deutschland seiner Verpflichtung nachgekommen, die
vier Richtlinien der Europäischen Union zum Schutz vor Diskriminierung in nationales Recht umzusetzen.
Das AGG schützt Menschen, die wegen ihres migrantischen Hintergrunds oder ihres damit verknüpften Aussehens, ihres
Geschlechts, ihrer Religion bzw. ihrer Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihrer Alters oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden (das AGG schützt also nicht alle Gründe, die zu
Diskriminierung führen können – beispielsweise fallen die bereits seit Jahren stark kritisierten Sondergesetze gegen Flüchtlinge wie die Residenzpflicht nicht unter den Schutzbereich des AGG).
Praktisch bedeutet dies zweierlei: Auf der einen Seite gibt das AGG Betroffenen von Diskriminierung verschiedene Mittel an die Hand, um sich für ihre Rechte einzusetzen – ob mit oder ohne
Unterstützung durch AnwältInnen, Beratungsstellen etc. Auf der anderen Seite geht es um Prävention, das AGG enthält daher zahlreiche Bestimmungen, welche Benachteiligung von vornherein verhindern
sollen.
Hauptanwendungsgebiet des AGG ist der Bereich Arbeit und Beschäftigung. Hierzu gehören unter anderem
Auswahlkriterien bei Bewerbungsverfahren, Höhe des Arbeitsentgelts oder beruflicher Aufstieg. Zudem bezieht sich das AGG auf Alltagsgeschäfte wie Einkäufe, Gaststätten- oder Diskothekenbesuche,
Vermietungen sowie Versicherungs- und Bankgeschäfte. Einzelverträge zwischen zwei Privatpersonen fallen nicht in den Schutzbereich des AGG.
Das AGG erfasst fünf Arten von Diskriminierung – ganz gleich, in welchem Bereich und auf welcher Grundlage
eine Person benachteiligt wird:
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Unmittelbare Diskriminierung: Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn jemand in
einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt wird als andere Personen. Ein Taxiunternehmen bietet beispielsweise an, bei Interesse deutsche FahrerInnen zu schicken. Hierdurch
erhalten die nicht-deutschen FahrerInnen des Taxiunternehmens weniger Aufträge, werden also unmittelbar benachteiligt.
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Mittelbare Diskriminierung: Von einer mittelbaren Diskriminierung wird gesprochen, wenn
scheinbar neutrale Vorschriften für alle gelten, dabei aber bestimmte Personen Nachteile erleiden. Beispiel: In einem Callcenter wird ein generelles Kopftuchverbot erlassen. Diese
Maßnahme benachteiligt mittelbar Frauen, denn es sind überwiegend Frauen, die Kopftücher tragen.
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Belästigung: Als Belästigung gilt, wenn ein unerwünschtes Verhalten dazu führt, dass eine
Person in ihrer Würde verletzt wird. Häufiges Beispiel sind rassistische Verunglimpfungen – etwa auf der betrieblichen Weihnachtsfeier: „Deine Hände sind innen hell, außen dunkel – wie
beim Affen.“
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Sexuelle Belästigung: Eine sexuelle Belästigung ist es, wenn ein sexuell bestimmtes
Verhalten nicht gewollt ist und die Würde der betreffenden Person verletzt. In Gegenwart ihrer Kollegin machen etwa männliche Angestellte anzügliche Bemerkungen, zudem schicken sie ihr
E-Mails mit pornografischem Inhalt.
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Anweisung zur Benachteiligung: Auch eine solche Handlung zählt als Diskriminierung –
unabhängig davon, ob der Aufforderung nachgekommen wird oder nicht. Zum Beispiel weist der Kolonnenführer eines Versicherungsdienstleisters seine AußendienstmitarbeiterInnen an, keine
Verträge mit TürkInnen abzuschließen.
Ist es zu einer Diskriminierung gekommen, hat die betroffene Person gemäß des AGG verschiedene
Möglichkeiten zu reagieren (wobei natürlich auch Lösungswege gewählt werden können, die nicht durch das AGG abgedeckt sind) :
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Beschwerderecht: Es besteht das Recht, sich bei einer zuständigen Stelle des Betriebs
oder der Diensstelle schriftlich oder mündlich zu beschweren. Die Beschwerdestelle hat die Pflicht, die Vorwürfe zu prüfen und die Ergebnisse der betroffenen Person mitzuteilen. Sollte
sich die Beschwerde als zutreffend erweisen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Abhilfe zu leisten. Insofern die Diskriminierung von einem Kollegen oder einer Kollegin ausgeht, hat der
Arbeitgeber die Pflicht, arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten. Diese Maßnahmen können von klärenden Gesprächen, über Abmahnungen, Versetzungen bis hin zur Kündigung reichen. Dies macht
deutlich, dass dass AGG nicht nur schützt, es enthält auch die Verpflichtung, niemanden zu diskriminieren.
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Entschädigung oder Schadensersatz: a) Verletzt der Arbeitgeber das
Benachteiligungsverbot, können innerhalb von zwei Monaten Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. b) Auch bei Alltagsgeschäften besteht die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten
auf Schadensersatz sowie Unterlassung zu klagen – etwa gegen das Einlassverbot von Kopftuchträgerinnen in Diskotheken. Im Übrigen greift bei Diskriminierungsfällen meist das Prinzip der
Beweislastumkehr: Danach reicht es aus, Anhaltspunkte vorzutragen, die auf eine Ungleichheitsbehandlung hinweisen. Der bzw. die Beklagte muss dann den Nachweis antreten, dass keine
Ungleichbehandlung vorgelegen hat bzw. dass diese ausnahmsweise gerechtfertigt war.
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Leistungsverweigerungsrecht: Ergreift der Arbeitgeber im Falle einer Belästigung oder
sexuellen Belästigung keine geeigneten Maßnahmen, diese zu unterbinden, hat die bzw. der Beschäftigte das Recht, die Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts niederzulegen, um sich
selbst zu schützen. Allerdings sollte eine solche Maßnahme nur nach vorheriger Absprache mit einem Rechtsanwalt/einer Rechtsanwältin ergriffen werden.
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Maßregelungsverbot: Eine Person darf nicht vom Arbeitgeber benachteiligt werden, weil sie
ihre Rechte nach dem AGG geltend macht. Ebenso wenig dürfen diejenigen 'bestraft' werden, die eine diskriminierte Kollegin oder einen diskriminierten Kollegen unterstützen.
Vor der Verabschiedung des AGG ist lange über Chancen und Gefahren eines solchen Gesetzes gestritten worden –
insbesondere Interessenverbände der Wirtschaft haben das Gesetzesvorhaben immer wieder in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass es überhaupt so etwas wie das AGG gibt,
insbesondere dass es eindeutige Definitionen von Diskriminierungen enhält sowie die Möglichkeit zur Schadensersatz- bzw. Unterlassungsklage vorsieht.
Dennoch weist das AGG auch erhebliche Mängel auf, darauf haben unabhängige Antidiskriminierungsstellen
immer wieder aufmerksam gemacht:
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Lücken im Diskriminierungsschutz: Der Diskriminierungsschutz ist nicht durchgehend,
insbesondere im Bereich der Alltagsgeschäfte gibt es zahlreiche Ausnahmen: So kann etwa ein Vermieter einen Interessenten mit schwarzer Hautfarbe ablehnen, wenn er im gleichen Haus oder
auf dem selben Grundstück lebt. Noch problematischer ist, dass sich das AGG nicht oder nur in Ausnahmefällen auf staatliche Bereiche wie das Bildungssystem, das Sozialrecht oder die
Polizei bezieht. Das schwierige Problem institutioneller Diskriminierung wird also im AGG nicht angemessen berücksichtigt.
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Fehlende Möglichkeiten zur Verbandsklage: Bislang können nur Betroffene von
Diskriminierung Klage erheben. Es wird deshalb ein Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände gefordert – so wie das unter anderem im Bereich des Umweltschutzes
existiert.
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Zu kurze Fristsetzungen: Erlittene Schadensersatzansprüche müssen innerhalb von zwei
Monaten vor Gericht geltend gemacht werden. Diese Fristsetzung ist zu knapp, vor allem wenn zunächst einmal eine außergerichtlich Lösung angestrebt werden soll.
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Fehlende Infrastruktur: Bislang sind keine Gelder für die Errichtung einer
flächendeckenden Beratungsinfrastruktur zur Verfügung gestellt worden. Für Betroffene von Diskriminierung ist es deshalb oftmals schwierig, ihre Rechte überhaupt in Anspruch zu nehmen. In
diesem Sinne wird auch kritisch angemerkt, dass es seitens der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bislang keine Informationskampagenen gibt, welche das AGG einer größeren
Öffentlichkeit bekannt machen.
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